SÄCHSISCHE ZEITUNG MONTAG 6. SEPTEMBER 2004
Rezension
Faszinierende Reise in ferne Welten
"Deep India" - Yatra gab Jubiläumskonzert in der Meißner Frauenkirche
Von Wolfgang Zimmermann
Macht man die Augen zu, wähnt man sich inmitten des Soundtracks eines Hollywood-Films,
der Urwaldstimmung suggerieren soll. Affen kreischen, die Klapperschlange rasselt über
trockene Steine, Elefanten trompeten, Vögel zwitschern in einem vielstimmigen Konzert.
Und irgendwann erhebt sich aus diesem Tierstimmenkonzert eine Grabesstimme, die monoton
vor sich hin klagt. Aufgelöst wird die Szenerie dann nach etwa 20 Minuten durch eine
ätherisch-schöne Flötenmusik. Dann kann man die Augen wieder aufmachen und muss ernüchtert
feststellen, dass man sich nicht im Urwald, sondern im Inneren der Frauenkirche von Meißen
befindet. Doch der "Soundtrack" hatte wirklich stattgefunden, life und für eben jenen
Moment und die versammelten Zuschauer produziert. Das war schon von jeher eine Stärke des
Trios mit dem indischen Namen Yatra, sein Publikum auf eine Reise in ferne Welten mitnehmen
zu wollen. In Zeiten geschlossener Grenzen war das natürlich noch weit reizvoller. Heute
haben viele die Orte ihrer einstigen Sehnsüchte schon besuchen können. Und diese haben meist
viel von ihrer einstigen Faszination eingebüßt. Vielleicht war das auch ein Grund, dass das
Yatra-Konzert am Donnerstag Abend in der Meißner Frauenkirche nicht so üppig besucht war.
Obwohl Peter "Kuno" Kühnel eigens aus Köln angereist war, und obwohl Klaus Gehn sich von
München nach Meißen auf die Reise gemacht hatte. Der dritte im Bunde - der Urmeißner
Norbert Jäger - hatte diesbezüglich wohl die wenigsten Strapazen auf sich nehmen müssen.
Norbert Jäger war der erste, den er 1984 ansprach. "Ich besorgte mir zum Sitar passende
Tablas und dachte mir einen Namen aus", erzählt der Stern-Meißen Drummer. Er wälzte allgemeine
und spezifische Wörterbücher und fand schließlich Yatra, was so viel wie Reise oder Ausflug
oder auch Pilgerfahrt bedeutet. Mit dieser neuen, exotischen Musik kam das Trio an beim
Publikum. Die Säle waren brechend voll. Die Besetzungen wechselten immer mal und damit
auch die Instrumentierung. Mit der Tänzerin Iris Sputh kam auch mal eine optische Note
in die Konzerte. Immer aber war und blieb das Sitar tragendes Instrument des Ganzen.
So wie am Donnerstag Abend, auch wenn von den sieben Stücken des Konzertes nur zwei
mit dem Sitar gespielt wurden. Das Entree besteht aus einem zehnminütigen langsamen
und schwermütigem Herantasten an die Fremdheit dieser Musik. Urplötzlich aber bricht
die Musik auf, fast rockig setzt Kunos Gitarre ein, die großen Becken von Jäger und
Gehn geben ihren voluminösen Klang dazu, das Kirchenschiff füllt sich mit einer
einzigartigen Rocksymphonie. Dann endlich kommt der Sitar zu Einsatz, und einer der
traumhaften Ragas erklingt. In Indien kann sich so ein Stück Musik über Stunden hinziehen.
Diese Zeit war in Meißen leider nicht. "Deep India" nannte sich das zweite Stück auf dem
Sitar, und es vereinte in sich noch einmal die ganze Exotik dieser fernen Welt. Am Ende
zwitscherten die Vögel aus dem Kirchenschiff heraus und ertönten leise Glöckchen von der
Balustrade herunter, einem sehnsuchtsvollen Abschied vom Tage gleichend. Der Subkontinent
Indien war für zwei Stunden ganz nahe - dank Yatra.
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